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Permanent verschnupft

Allergy in "in"

Welche Partei bringt der Kunst am Meisten? Sind Sie allergisch?

Poll: Which party in Germany is best for art?

Sa., 17.09. 2005

Ein anti-allergischer Salon zur Bundestagswahl 2005.

Angefragt als Gast: ein Mitglied der FDP

* * *

Meine Leidensgeschichte

Ich bin von Kindesbeinen an gegen Politiker, Elche und leider auch DJs allergisch. Das fing irgendwann mit 9 oder 10 Jahren an. Ich bekam schon damals irgendwelche irrsinnig teuren Sprays von meinem Arzt verschrieben, welche aber zur damaligen Zeit noch zu 100% von der Krankenkasse bezahlt wurden. Es war so weit ich mich entsinne eine bräunliches Plastikteil zum aufklappen, in dem ein Metallbehälter mit dem Wirkstoff eingearbeitet war. Es kostete weit über 30 DM. Leider kann ich mich an den Namen nicht mehr erinnern. Ich konnte es nach einigen Wochen auch wieder absetzen, nachdem die Beschwerden etwas zurückgegangen waren. Das ging 3 oder 4 Jahre lang ganz gut.

Zwischenzeitlich ging ich noch 2 Jahre lang zur "Desensibilisierung" meiner Allergie (Politiker, Elche, DJs etc). Diese Geschichte hat mich bis heute von dem schlimmsten der Symtome befreit - dem verkleben der Augen (bei Politikern). Die heftigen Niesreaktionen und das verschliessen der Nase verbesserte sich leider nur wenig. Dies aber nur nebenbei erzählt, da es zum Ablauf dazugehört.

Mit 14 Jahren ging ich zum ersten Mal in einen Club, meine Eltern wechselten ihre Partei und demzufolge auch ich den Arzt. Der neue weigerte sich, mir mein Nasenspray für die Problemzeit zu verschreiben. Also besorgte ich mir auf eigene Faust etwas in der Apotheke. Es wechselten sich Nassivin, Otrieven, AntiSPDin und noch ein paar andere ab. Nach ein paar Monaten musste ich mir eingestehen, das meine Allergiezeit (ausserhalb von Wahlen, Clubs und Wäldern) schon länger vorbei war. Vom Aufhören mit sprayen aber keine Spur. Nein - ich war inzwischen zu sehr daran gewöhnt.

Ich bin jetzt 39 Jahre alt, Künstler, und bis heute nicht davon weg gekommen. Ich habe es auch nie richtig versucht. Immer wenn ich mit Politikern, Elchen und DJs in Kontakt komme, muss ich zum Spray greifen; mehrmals am Tag. Das sind grob geschätzt unglaubliche 25 Jahre Abhängigkeit.

Seit einigen Jahren bin ich "festgefahren" bei Certitizin Dosierspray für Erwachsene. Tagsüber benutze ich es alle 2 bis 4 Stunden. Nachts wache ich meistens alle 4 bis 5 Stunden wegen Luftmangel auf - manchmal auch häufiger. Meine Freundinnen haben am Anfang immer gefragt, was ich da so mache. Ich habe es mit einer kurzen Erklärung abgetan. Weitere Diskussionen gab es nicht. Wohl auch aus Scham meinerseits zu diesem Thema und dem Eingeständnis der eigenen Sucht. Auch mein Freundeskreis (keine DJs, keine Politiker) hat sich schon lange an dieses Phänomen gewöhnt. Ab und an wird mal ein Gag dazu gemacht.

Ich habe immer mehrere Flaschen zu Hause. Auch an allen Orten an denen ich mich regelmässig aufhalte, ist ein Fläschen deponiert. Auf der Arbeit, im Club, im Wald u.s.w. Über die Unsummen an Geld die ich bisher dafür investiert habe, mache ich mir schon lange keine Gedanken mehr.

Die Erfahrung eines anderen Leidensgenossen (auch Politiker, Elche, DJs) hier mit den Apothekern, kann ich nur voll und ganz bestätigen. Ich habe sehr viele verschiedene Apotheken in ganz Deutschland inzwischen wegen Nachschub besucht. Ich wechsele auch ganz gezielt sehr oft die Bezugsquellen, weil es mir unangenehm und peinlich ist, bei den Apotheken als Spray-Junkie aufzufallen. Wenn ich mal darauf angesprochen werde, warum ich denn 2 grosse Flaschen kaufe oder sowas, dann wiegele ich auch immer ganz schnell ab mit einem Spruch wie "Ich bin Clubbesitzer und besorge das Zeug für unsere Gäste mit DJ Allergie. Fragen sie mich bitte nicht, ich befolge nur einen höheren Auftrag". Damit ist das Thema dann schon gegessen und ich bekomme das Zeug.

Den Gedanken ans Aufhören habe ich in letzter Zeit immer öfter im Kopf. Ab und an mal Nasenbluten, Kopfschmerzen, Nasenbrennen, heftige Niesanfälle direkt nach dem sprühen und ähnliches, stimmen einen manchmal ganz schön Missmutig und Depressiv. Das mehrmalige aufwachen in der Nacht zum "nachsprühen" und danach schnell wieder weiter schlafen, ist inzwischen leider schon ganz normal und sicherlich sehr ungesund. Auch die Angst irgendwann mal in eine Situation zu gelangen, in der man nicht an sein Dope herankommt, löst bei mir regelrechte Panikattacken aus. Aber der Gedanke zu einem Arzt zu gehen und darüber zu reden, eine eventuell nachfolgende OP vor der ich panische Angst hätte, sowie auch der Gedanke "es ist eh alles zu spät und hoffnungslos nach so einer langen Zeit, da ist inzwischen alles kaputt", lassen mich bisher immer alle Bedenken zur Seite wischen und einfach weiter machen wie bisher.

Neulich kam ein Freund von mir an und meinte, ich sollte es mal mit der FDP versuchen. Obwohl der Gedanke, einem Politiker zu begegnen, bei mir schon im Vorfeld Atemnot auslöste, konnte ich mich schliesslich überwinden, und machte einen Besuch bei meinem lokalen Kandidaten. Schon der erste Eindruck war äusserst positiv. Plötzlich war meine Nase wieder frei, die Augen brannten nicht mehr, ich konnte wieder frei atmen. Meine Depression wich von mir.

Seit ich regelmässig zur FDP gehe, steht das eklige Nasenspray unbenutzt in der Ecke. Was für ein Erfolg!

Vielleicht besuche ich bald mal einen Club. Oder einen Wald? (wegen der Elche)

* * *

Heuschnupfen 15%

Kontaktallergie 9%

Politikerallergie 45%

Tierallergie 7%

Nahrungsmittelallergie 5%

Arzneimittelallergie 5%

Neurodermitis 4%

DJ Allergie 24%

Insektengiftallergie 4%

Elchallergie 11%

Quelle: Ärzteverband Deutscher Allergologen e.V./Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Elchologie e.V ./ Deutsche Phonowirtschaft e. V.

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